Dieser Wahlspruch der Friesen wird gerne von Bodo Janssen, dem Kopf der Firma Upstalsboom, zitiert. Im Mittelalter stallten die Friesen Ihre Pferde an einem Baum – dem „Upstalsboom“, nahe Aurich an. Die friesische Freiheit wurde ursprünglich durch Karl dem Großen im 9. Jahrhundert nach dem überraschenden Sieg gegen die Römer gewährt (oder Karl dem Dicken nach dem Sieg gegen die Normannen, die Gelehrten sind sich da offenbar nicht ganz einig, siehe Wikipedia). Damit kamen die Friesen lange ohne Adlige und Feudalherrschaft aus, man wählte Vertreter in den autonomen Landesgemeinden und diese trafen sich zu Pfingsten an diesem Versammlungsort. Das ist doch eine schöne Geschichte.
Jedenfalls habe ich diesen Satz inzwischen häufiger gehört und „kaue darauf herum“. Neulich sprach ich mit einem Ex-Kollegen aus einem Konzern und ich erzählte ihm von diesem Motto „Lieber tot als Sklave“. Ich sehe Parallelen zu meinem alten Arbeitsverhältnis. Es gab so manche aus meiner Sicht unsinnige Entscheidung, die vermutlich – natürlich ist das Spekulation – auf individuelle Ziele höherer Führungskräfte zurückzuführen war. Anders konnte ich mir nicht erklären, wie man eine solche in meinen Augen geschäftsschädigende Entscheidung treffen konnte. Zum Beispiel ging es darum, massiv Kosten zu sparen – ohne Rücksicht auf die Auswirkungen – auf die Projektqualität und die Kunden- oder Lieferantenbeziehungen. Wenn der Gewinn nicht stimmt und mehr Umsatz nicht in Sicht ist, dann müssen die Kosten eben runter – alte BWLer-Weisheit. Allerdings hilft das ja nur bedingt. Ich habe mich auch oft gewundert, dass die „Zitrone“ (also die Organisation), die ja ohnehin dauerhaft auf diese Art „ausgepresst“ wurde, überhaupt noch Saft (weiteres Kostensparen) hergab. Als ich dazu mal mit einer leitenden Führungskraft gesprochen habe, meinte diese – sie wundert sich auch, aber das klappt – immer. Einen Aufstand im Unternehmen gab es auch nie, also Mitarbeiter, die sich richtig dagegen wehrten – jedenfalls habe ich das nie erlebt. Denn Kundenverträge erfüllen und vernünftig arbeiten war so quasi nicht mehr möglich. Nur: Gemurre hinter den Kulissen, Kopfschütteln und Aussagen, wie „das macht doch keinen Sinn“.
Tja, „love it, leave it or change it“ und „Herr, bitte gib‘ mir die Weisheit zu erkennen, woran ich tatsächlich etwas ändern kann“, dabei meinen Job behalte und auch sonst keine Nachteile zu erwarten habe. Also, lohnt es sich, die Kraft und Energie zu investieren, innerbetrieblich für meinen Kunden und das Projekt zu kämpfen? Reicht mein Selbstvertrauen dafür aus? Meine Kontakte? Wie hoch ist das Risiko? Das ist ein amerikanischer Konzern und in Deutschland gibt es glücklicherweise die Mitbestimmung, aber wenn ich noch ein wenig gefördert und nicht auf einer der Listen für Angebote zum Austritt landen will, sollte ich meine direkten Führungskräfte nicht verärgern. Wer weiß, vielleicht haben die ja ein gleichlautendes Ziel und ihnen ist ihr eigener Bonus wichtiger als das mittel- und langfristige Geschäft der Firma.
Oder mache ich, was von mir verlangt wird – im Zweifel gegen meine eigene Überzeugung, meine Werte und das, wofür ich eigentlich jeden Tag morgens aufstehe? Wie offensichtlich viele andere Kollegen auch? Oder fange ich an, drum herum zu navigieren – mich in der Grauzone zu bewegen – irgendwie das Beste aus der klaren Kostensparansage und meinem Projekt oder Arbeitsbereich zu machen? Den Prozess etwas verbiegen? Nur ein bisschen, vielleicht auch mehr als eigentlich rechtens ist? Da spiele ich dann auch wieder mit meinem Job.
„Lieber tot als Sklave“ kommt mir da wieder in den Sinn… Vielleicht nicht tot, aber der Verlust meiner Komfortzone (meines Jobs) und damit eventuell der soziale Abstieg drohen.
Am selben Tag hörte ich im Radio einen Beitrag. Es wurde diskutiert, ob die Spreizung der Gehälter innerhalb eines Unternehmens auf ein „gesundes Maß“ begrenzt werden sollte. Ein „Wieviel-faches“ eines Durchschnittsmitarbeiters im Unternehmen dürfen die Führungskräfte verdienen? Das 10-, 20-, 50-, 100-fache? Mit Boni?
In der „neuen Arbeitswelt“ wird immer wieder diskutiert, dass Individualziele schädlich sind. In einem Fall wie oben beschrieben, gehe ich da definitiv mit. Zumal ja ohnehin Niemand etwas wirklich alleine tut oder verantwortet in dieser Art Organisation.
Vielleicht würden ja bei Verzicht auf die Boni der oberen Etagen die Unternehmen finanziell ganz anders dastehen? Das hieße allerdings auch, auf die Arten von Führungskräften verzichten, die Ego-getrieben Ihre persönliche Karriere egal um welchen Preis vorantreiben und damit „leicht steuerbar“ sind. Man bräuchte einen gemeinsamen Zweck des Unternehmens, für den die Menschen arbeiten und sich einsetzen wollen und keine „Sklaven“, die ihr Gehirn „ausschalten“ und ihre persönlichen Werte über Bord werfen. Vielleicht würden dann auch weniger Menschen krank … naja, soviel zu meinen Gedanken.
Haben Sie auch das Gefühl, dass sich in Ihrem Umfeld ähnliche Situationen eingeschlichen haben und würden daran gerne etwas ändern? Haben Sie vielleicht schon eine Idee? Oder suchen Sie nach Impulsen, wie Alternativen aussehen könnten? Ist Ihnen nach einem Austausch zu diesem Thema? Dann melden Sie sich gerne bei mir für ein unverbindliches Gespräch.